Orientierung durch Vertrauen? – IN WAS? – Wohin? Teil 3

Unter besonderer Berücksichtigung des digitalen Wettbewerbs

Wagen wir die Dinge zu sehen, wie sie sind.  (Albert Schweizer)

Wer der Herausforderung gemäß – wie in Teil 1 und 2 dieser Artikelfolge dargelegt – sich selbst bewusst und kompetent als Führungskraft eingebracht hat, erfährt, dass sein Teil zur Vertrauensbildung auf praktische Verhaltensweise ausgerichtet ist. Mehr noch, er/sie sieht sich nicht in einer Welt der (Geheim-) Wissenschaft verloren. Erfahrene Führungskräfte verfügen über Handwerkzeug, das man lernen kann und zwar losgelöst vom Alter. Natürlich verfügt ein jüngerer Mensch mit Neugier, Mut und Entschlossenheit über einen leichteren Zugang.  Ältere haben den Vorteil, zusätzlich längst erworbene Erfahrungen zu nutzen.    

Zur Orientierung durch Vertrauen mittels der Digitalisierung bewegen wir uns auf einem Pfad voller zusätzlicher Herausforderungen. In seiner Konsequenz heißt es, den Geist in die Maschine einzubringen, ein Vorhaben, dass sich bei manchen Robotern und mancher Software verdient gemacht hat – mit nicht zu unterschätzenden Vorbehalten für die Arbeit heterogener Truppen in vorgegebenen Unternehmen und Organisationen. 

Wesentliche Abweichungen der Schaffung von Vertrauen, die vor allem Führungskräfte zu verantworten haben, sollen an folgenden Aspekten verdeutlicht werden:

Digitale Schulbildung – zum Einstieg:

         Schon in der Bildung, besonders der bisherigen Ausbildung von Datenspezialisten entwickeln sich Unterschiede: Nach bisheriger Auffassung galt, das Hintergrundwissen (s. Teil 2) als wissenschaftlich erprobter Kanon aus Berufen wuchsen: Wissenschaft als Stimme der Vernunft. Die sich verselbständigende Datengesellschaft als Datenökonomie fordert ein Geschäftsmodell mit eigener Wissensstruktur. Nach bisherigen Diskussionen steht die Daten-Ökonomie am Anfang und zum Teil im Widerspruch zu der erprobten, vor allem der mehrstufigen Ausbildung ‚früherer‘ Jahre, prägend und verantwortlich für Führungskräfte. Die Zertifizierung digitaler Medien für ein anspruchsvolles Bildungsprogramm sollte nicht mehr lang auf sich warten lassen, um Lehrern in Schulen die Entscheidung zu erleichtern. 

         Je grundsätzlicher „Erfolgsstrategien für die digitale Transformation“ (Digital Offroad) beworben werden, umso mehr kümmert sich der Paradigmenwechsel direkt mit den „nicht zu unterschätzenden Herausforderungen für die Führungskräfte“, nicht jedoch mit den so beschworenen Lernwilligen in Schulen. Wie kann der „gesund-paranoide“ (Zitat Digital Offroad) Unternehmensführer als Erfolgsmensch im Zwischenfeld von bisherigem Manager und digital aufgestelltem der Zukunft zum Vorbild der jungen Neulinge werden? Wer ihnen kritisches Denken mit Hinterfragen der Herkunft der digitalen Medien und der Daten Verlässlichkeit lehrt, weiß, dass KI gemacht ist, um Menschen zu dienen und sich nicht von ihnen beherrschen zu lassen. Es bedarf vor allem einer verantwortlichen Dachorganisation und Kontrolle, die die Ausbildung zum digitalen Umfeld auf rechte Bahnen lenkt.

         Was mit der „gesunden Paranoia-Einstellung“ gemeint ist, umschreibt Digital Offroad am Beispiel des geschulten Piloten, der sich bei Nebel bedingten Sichtverhältnissen der Landebahn nähert und der exzellenten Technik seines Flugzeugs sicher weiß und landet. Da nun früheres unternehmerisches Geschehen mit Planbarkeit, Vernunft, Beständigkeit und Kontrolle der Unbestimmtheit Platz zu machen hat, steht Digitalisierung mit zu entwickelnden und assistierenden Frühwarnsystemen den Unternehmenslenkern zur Verfügung, wozu es laut Digital Offroad keine einfachen Problemlösungen gibt.

         Vor solchem ‚Charme‘ digitalen Fortschritts stehen unsere Überlegungen zur Orientierung durch Vertrauen. Wie vertragen sich derartige Gegebenheiten, denkt man an die Orientierung der erforderlichen Bildungsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche, selbst wenn diese mit Smartphones und Computern aufwachsen und Apps aller Art nutzen und so manche Start-ups mit selbst programmierter Software eigene Wege bestrebt sind zu gehen?

         Intuitiv richtiges Anwenden aus frühen spielerischen Gewohnheiten erleichtere den Übergang zum ernsthaften Umgang mit der Datentechnik, heißt es oft. Ob jedoch damit der Einstieg in digitale Bildung sinnvollen Schulstoff schafft, bleibt ungewiss angesichts der Produktvielfalt mit ihren permanenten Neuerungen. Erinnert sei an die Denkmethode wie: Kartenumlauftechnik, ‚Was-wäre- wenn‘, oder ‚Wenn – dann’ und Brainstorming. Sie alle sind Methoden der Kreativität für jedermann. Mit anderen Worten führt „eine Paranoia erstmal nur dazu, dass man die richtigen Informationen besitzt.“

         Wertvolle, nützliche Informationen entwickeln Wissenschaftler der Frauenhofer-Institutionen. Sie spiegeln Wissen um Künstliche Intelligenz und Machine Learning (ML) und verdichten es zu ML-basierten Tools zum Beispiel zwecks Analyse von Maschinendaten und zur Optimierung der Erfassung von Herstellungskosten. Mit dem „ML4P“ Konzept schreiten die Forscher zum Bau von neuartigen Werkzeugmaschinen und der Umformtechnik mit praktischen Lösungen wie Anlagen zum Biegen von Glas voran. (s. Dt. Unternehmerbrief Nr. 47 / 04.2022)

Urteilskraft:

         Bevor derartige Informationen zu zielfolgenden Handlungen führen, muss Wissen genutzt, also nicht nur den kreativen Ideen-Gebilden gesunder Paranoia über die Frühwarnsysteme nachgeeifert werden. Dazu zählt qualifiziertes Beurteilen der durch die Digitalisierung geförderten Dynamik. Wer den Markt in seiner Unbestimmtheit von Morgen durchschaut, über ein schnelles Reaktionsvermögen verfügt, antizipiert Trends und ist seiner Zeit voraus. (Digital Offroad). Doch Achtung: Bereitgestellte Daten verkörpern nicht ein Wissen, das zu beurteilen ist, vielmehr leben wir in einer Datenökonomie, aus der sich Geschäftsmodelle beliebiger Art ableiten. Wie Daten prüfbar und beurteilbar sind, hängt von der Fähigkeit ab, sie mit allen sinnvollen Argumenten für zuverlässig zu erklären.  Fähigkeit dazu erfordert Fachlichkeit, diese kann Digitalisierung zurzeit kaum ohne breites und allgemeines Wissen mit Kenntnissen und Erfahrungen nutzen.

         Wo das Potential der digitalen Transformation Forschung und Entwicklung wirkt, beispielsweise im Gesundheitswesen, der Neurologie, prophezeit dieses die Behandlung von Kranken mit hochpräzisen, individuell ausgerichteten Versorgungen (Roche Pharma AG). Nur, es braucht seine Zeit, um zu stimmigen Überzeugungen zu gelangen.

         Interessante jugendliche Start-ups der technologieaffinen Generationen verdanken ihren intuitiv wirkenden Kräften die Begeisterung für das eigene Unternehmen. Was in diesen Fällen das World Wide Web mit seinen Meinungen und Interpretationen beiträgt, erhöht eine Meinungsvielfalt mit anspruchsvollen Folgen. Sie bilden sich dann heraus als Wissen, sobald sie begründbar und überzeugungsstark bewertet und systematisch kategorisiert werden.

         Bis dahin wartet noch Vertrauen in die heutige Datenökonomie auf zuverlässige, nachhaltige Orientierung.

Persönlichkeit:

         Gefördert und verankert wird der Zukunfts-Wissensstand von Menschen, die ihn mit ihrer Haltung zu ihrer Persönlichkeit machen und sich mit eigenem Standpunkt zur Führungskraft entwickeln. Der Weg dahin erwächst aus dem Bildungssystem, das Wissen und Kompetenzen vermittelt. Für die Zielsetzung, sich optimal zu verkaufen (s.o. Teil 2), ist die individuelle Fähigkeit einschließlich fundierter Überzeugungen und Entscheidungsgabe mit Urteilskraft vonnöten. Lernen zu verstehen braucht Vertrauen, was sich durch Kompetenz profiliert. Starkes Selbstvertrauen bei den Gestaltungsspielräumen, die die Digitalisierung für Kommunikation, Interaktion, der Beherrschung der Netzwerke und der Transfers im Datendschungel ist Voraussetzung für erfolgreiches Management. Insofern können digitale Technologien im Bildungswesen Beiträge liefern, die zur Persönlichkeitsbildung beitragen. 

         Wen trifft diese grundsätzlichen Erkenntnisse und welchen Wert messen die Digital Natives Althergebrachtem zu? Mit Hinterfragen begannen die Jahrgänge der Schulabsolventen ab 1980 recht egobezogen. Das Hinterfragen nahm missionarisches Bemühen an, die hier in Frage stehenden Traditionen in Unternehmen und Organisationen vermehrt zu bekriegen bis hin zum desillusionierenden Weltbild in einer Zeit von Lebenskämpfen, Verzicht und Mangel (Altersversorgung). Tiefes Misstrauen wuchs in Unternehmensaktivitäten herkömmlicher Art mit ihren Mitarbeiter-Bindungen über Generationen hinaus. Das dortige aufgebaute Vertrauen sieht man in Sozialsystem und Arbeitsmarkt bewusst zerstört. Ob nun wirklich die freiheitlichen  Denkmuster der Firmen im Silicon Valley mit ihren zum Teil wirren Ausbrüchen aus relevanten Traditionen als Fanal für die coolen Freiräume von heute sind, mögen andere entscheiden mit tieferem Einblick in die beklagte Konformität der „alten-Zöpfe-Firmen“. 

         Nicht zu vergessen ist die Geisteshaltung bei dem einen oder anderen der jährlich tausenden neuer Start-ups, bei deren viele dem Motto frönen: „Fake it till you make it“ mit Geschäftsmodellen auch krimineller Herkunft – wie nicht zuletzt Theranos der gut 37- jährigen Elizabeth Holmes: Statt Bluttests zu revolutionieren endete sie mit einem Schuldenberg von Millionen 900 $ (inclusive der Investitionen zahlreicher Wunschdenker) bei einem Vermögen von Mrd. 4,5 $. – Inwieweit deutsche Start-ups nach ihrer chronischen Unterbewertung mit nunmehr fließendem Wagniskapital auf sich aufmerksam machen werden, bestimmen zumeist Investoren, vor allem ausländische, mit ihrer Hoffnung auf hohe Renditen.

         Dem Geschehen vorstehender Beispiele, Auswahl von Unternehmen und ihrer Mitstreiter, ist eines gemeinsam, sie befinden sich in der Selbstbehauptung. Ihr Weg sucht letztlich die Anpassung aus ihrem Geschäftsmodell in Richtung digitalisierter Aktivitäten. Soweit sie nicht bereits Vollzug gemeldet haben, wie in den hier interessierenden Familienunternehmen, unter anderem die großen Vissmann, Fielmann oder Sixt, stehen sie in einem Spagat: Fortsetzung der erfolgreich laufenden Geschäfte einerseits bei gleichzeitiger Transformation in eine digitale Zukunft.

Warum der Mensch im Mittelpunkt des Denkens, Gestaltens und Handelns steht:

         Ob digitaler Wandel mit künstlicher Intelligenz oder menschliche Serviceerfahrung mit Empathie, Sozialkompetenz, Zuneigung und Nähe in der Industrie 4.0 Schwergewichte unternehmerischer Konzentration, – der Unterschied in der menschlichen Wertschöpfung- nicht erst angesichts der Coronakrise – ist augenscheinlich, wobei unter Wertschöpfung – auch wachsendes VERTRAUEN zu verstehen ist.

         Solange Tücken der KI bei Verwendung von Algorithmen die Prognosen automatisieren, Entscheidungssituationen prägen, spiegeln sie Wissen, Prognosen und Imaginationen regelmäßig nicht vollständig; sie scheitern bei Entscheidungen, deren Situation einzigartig ist. Pandemien wie die Coronakrise zählen dazu. Gefordert ist zwischenmenschlicher Kontakt mit Einfühlungsvermögen, Kreativität, Flexibilität und Loyalität.

         Wo dem autonomen Individuum sein Bestand durch das KI-System entzogen wird, droht Gefahr bis hin zur wesentlichen Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit. Schon in früheren Erkenntnissen von US-Wissenschaftlern (HBM 9/2018) wurde vor softwarebasierten Sicherheitsprodukten gewarnt. Das geschieht heute verschärft mit Warnung vor der Digitalisierung des Rechtssubjekts Mensch. Statt Vertrauen in die Digitalisierung zu bringen, bewirken manche Computerprogramme in öffentlichen Einrichtungen und mächtigen Firmen mit Verarbeitung großer Datenmengen Gefährdungen der Existenz des einzelnen Menschen, betitelt als „algorithmisierte Diskreminierung“ (Marietta Auer). Man denke beispielweise an Wirtschaftsauskünfte der Schufa (FAZ 26.10.2021). Die dort zur Verfügung stehenden Daten und ihre Verwendung im Hinblick auf Artikel 22 DSGVO, dem EGH zur Klärung vorgelegt, betreffen das Verbot von derartigen Einzelfallentscheidungen. Nur so viel kurz zum Hintergrundgeschehen der Konsequenz der fortschreitenden „scoringgesteuerten Internetgesellschaft“:

o          Wer etwa in einer Stellenbewerbung beim neuen Arbeitgeber oder als Kreditsuchender bei einer Bank in die Fänge der Computerprogramme mit entsprechender Software gerät, erfährt die Auswahl nach komplexen Kriterien, die auf maschinellem Lernen großer Datenmengen wurzeln. Am Beispiel einer Art Wettbewerb zwischen Personalberater und Computer gesteuerter Qualitätsbeurteilung des Neulings verließ sich das Unternehmen auf die umfangreiche, tiefergehende Kompetenz und Leistung des Menschen. Die anschließenden Prüfungen der Auswahl bestätigten die Richtigkeit des Ergebnisses (HBM 6/2018).

o          Kern der datengesteuerten Vorhersage im Gegensatz zum Vorgehen seriöser Personalmanager ist unter anderem die Arbeitsweise. Zwar können Netzwerkanalysen interessante Muster über „Charakterisierung“ von Mitstreitern im Zentrum der Firma hervorbringen. Dazu reicht eine gewisse Datenzahl, in die am Beispiel der Mitarbeiter- oder Kundenprofilierung die gewünschten Eigenschaften oder Verhaltensweisen subsummiert werden. Solche je nach Verständnis als neuartige Aufteilung des autonomen Individuums in Teilaspekte seiner Äußerungen bis hin zu unterstellten Denk- und Handlungsweisen schafft Resultate, die letztlich spektakulär sind und zu Problemen führen:

o          Ohne hier in die Tiefe der faszinierenden, folgenschweren Thematik einzutauchen, lässt sich unschwer erkennen, dass KI und algorithmische Vereinnahmung auf der einen Seite die Vorstellung des “autonomen Individuums entkernt“ (Marietta Auer), auf der anderen Seite dem künstlich intelligenten Wunderding, dem der Rang des „Agenten“ oder des „autonomen Systems“ zugebilligt wird, eine Aufwertung bis zur Eigenständigkeit erfährt.

o          Fragen allein nach zivil-, strafrechtlicher und haftungsrechtlicher Zuordnung von KI und Algorithmen als personifizierter Phänomene bleiben zunächst unbeantwortet. Auch wenn – wie oben dargelegt – in Einzelfällen technische Abläufe über KI und Algorithmen erfolgreich und mächtig zur Hilfe genommen werden, fehlt ihnen bis auf Weiteres das, was den Menschen als Rechtssubjekt ausmacht: Autonomie, Emotionen, Gefühle, Selbstverantwortung, Selbstverständnis, Schuldfähigkeit, Sittlichkeit, Empathie und Moral – Begriffe, die uns zur Existenz mitgegeben wurden.

Bei derartig lückenhafter Wesenserscheinung existentieller und erdachter Art kann bis heute grundsätzlich nicht von einer vertrauensvollen Orientierung gesprochen werden. Sollte hier der vollständige Geist noch nicht in die Maschine Eingang gefunden haben? Gewiss ereilen uns immer wieder Überraschungen aus klugen Köpfen in reifen Epochen. 

Fortsetzung folgt in Teil 4.

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